„Weißer Feminismus“ oder „white feminism“ ist eine Art von Feminismus, bei der speziell die Bedürfnisse weißer cis-Frauen¹ der Mittelschicht im Fokus stehen. Das Wort „weiß“ bezieht sich dabei auf Menschen, die keine Rassismuserfahrungen machen. Das heißt allerdings weder, dass alle Feminist*innen, die weiß sind automatisch in diese Kategorie fallen, noch, dass weißer Feminismus lediglich von weißen Menschen ausgeübt wird. Ihr (vermeintlicher) Kampf nach Gleichbehandlung und -berechtigung ignoriert die Individualität und Vielschichtigkeit von Diskriminierung. So werden Themen wie z.B. (zugeschriebene) Herkunft und Klasse in ihrem Diskurs nicht aufgegriffen, sondern lediglich Probleme beleuchtet, die sie (als privilegierte Personen) betreffen. Problematisch daran ist, dass so z.B. rassistische und klassistische Strukturen nicht erkannt und die damit einhergehenden Probleme nicht bekämpft werden. Häufig findet ihre Argumentation auf Kosten bereits diskriminierter und marginalisierter Gruppen statt. Es ist demnach als Feminismus der Mehrheitsgesellschaft zu verstehen und bildet einen Gegensatz zum intersektionalem Feminismus.
Weißer Feminismus über die Jahre
TW: Gewalt gegen trans* Personen
Weißer Feminismus existiert bereits seit Beginn des Feminismus selbst (Anfang 20. Jahrhundert). Klassische Themen dabei sind unter anderem das Wahlrecht für Frauen, ungehinderter Zugang zu Bildung oder das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche. Dabei handelt es sich um wichtige Problematiken, auf die definitiv aufmerksam gemacht werden muss, allerdings treffen sie nicht alle Personen gleichermaßen. So kämpften beispielsweise in den 1970er Jahren weiße Frauen für das Recht arbeiten gehen zu können. Zeitgleich waren Schwarze Frauen gesamtgesellschaftlich dazu gezwungen arbeiten zu müssen, um überhaupt überleben zu können. Beide Menschengruppen haben also unterschiedliche Ausgangssituationen und Privilegien. Ein weiteres Beispiel ist das Streben nach sexueller Selbstbestimmung durch Verhütung und Schwangerschaftsabbrüchen. Der Fakt, dass trans* Person sich noch bis 2011 im Rahmen der Personenstandsänderung einer Zwangssterilisation unterziehen mussten, wurde hingegen nicht thematisiert. Weiterhin aktuell ist auch die Debatte um Verschleierung auf Grund der Religion. Weiße Feminist*innen machen sich dafür stark, dass keine Frau durch ihre Kleiderwahl unterdrückt wird. Der Aspekt ist besonders mit Hinblick auf die feministischen Kämpfe in Afghanistan und Iran äußerst brisant. Dennoch wählen viele Muslima ihre Körperbedeckung selbstbestimmt. Die Forderung nach einer „Zwangsentkleidung“ ist demnach übergriffig und spricht Betroffenen die Religionsauslebung ab.
Was tun gegen weißen Feminismus?
Es ist bequem sich auf die eigenen Probleme zu konzentrieren und die Komplexität des Patriarchats zu ignorieren. Doch Feminismus muss als etwas Größeres verstanden werden, das nicht an den Grenzen der persönlichen Betroffenheit endet. Aus diesem Grund braucht es Schnittstellen mit möglichst vielen verschiedenen Lebensrealitäten, die anschließend in das eigene Verständnis von Feminismus integriert werden. Das ist hauptsächlich möglich, in dem Menschen, die Mehrfach diskriminiert sind, zugehört wird. Zu empfehlen ist es, Aktivist*innen auf social media zu folgen, die über Feminismus im Zusammenhang mit z.B. Rassismus, Klassismus, Trans*identitäten, Behinderungen, … aufklären. Natürlich bieten sich auch Bücher, Podcasts, Zeitschriften, etc. an. Wichtig dabei ist, die aufgenommenen Informationen zu reflektieren und das eigene Handeln entsprechend anzupassen. Auf diese Weise kann das Verständnis von Feminismus möglichst intersektional werden.
¹“Cis-Frauen“ sind Frauen, die bei der Geburt das weibliche Geschlecht zugewiesen bekommen haben
Quellen
https://innenansicht-magazin.de/2018/10/05/was-ist-eigentlich-white-feminism/
Podcast Feuer & Brot: „Wozu nochmal Feminismus? Über weißen, Schwarzen, Sex positiven und Choice Feminismus“